Der radioaktive Zerfall birgt eines der größten Mysterien der Physik: Das Isotop U‑238 beispielsweise zerfällt mit einer Halbwertszeit von ca. 4,5 Mrd. Jahren. In einem Stück Uran kann jeder Kern in den nächsten paar Sekunden oder erst in vielen Milliarden Jahren zerfallen. Niemand kann voraussagen, wann genau das passieren wird. Obwohl aber jeder Kern unabhängig von den anderen ist, wird die Halbwertszeit für alle Kerne mit höchster Präzision eingehalten.
Wie ist das möglich? Gibt es eine Instanz, die die Einhaltung der Halbwertszeit überwacht?
Bindungsenergie und Massendefekt
Die Nukleonen sind im Atomkern durch die Kernkräfte gebunden, die sog. starke Wechselwirkung und die schwache Wechselwirkung. Die Kernkräfte überwiegen die abstoßende Wirkung der Coulomb-Kraft bei weitem. Die gewaltige Bindungsenergie der Nukleonen ist dafür verantwortlich, dass die Masse z.B. des Heliumkerns 4He knapp 1% geringer ausfällt als die Masse seiner vier Kernbausteine. Der sog. Massendefekt folgt Einsteins berühmter Formel E = mc2.
Nukleonen im Potentialtopf
Wir stellen uns vor, dass die Nukleonen in einem Potentialtopf gefangen sind, während ein positiv geladenes Proton, welches sich außerhalb des Kerns befindet, durch die Coulombkraft abgestoßen würde.
Überwachung der Halbwertszeit
Mit den Vorstellungen der klassischen Physik ist das Verhalten der instabilen Atomkerne nicht zu verstehen. In der Quantenphysik wird hingegen jedem Teilchen, also auch den Protonen und Neutronen, eine Wellenfunktion zugeordnet, ähnlich wie den Elektronen im Wasserstoffatom. Die Wellenfunktion gibt uns Auskunft über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elementarteilchen.
Bei instabilen Kernen halten sich die Nukleonen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit P_1 im Inneren des Kerns und mit einer geringen Wahrscheinlichkeit P_2 außerhalb des Kerns auf. Je größer nun P_2 wird, desto geringer ist die Halbwertszeit des radioaktiven Materials.
Die eingangs genannte Instanz, die über das Einhalten der Halbwertszeit wacht, ist somit nicht anderes als der Zufall. Die Genauigkeit der Halbwertszeit ist deshalb so gut, weil die Anzahl der radioaktiven Kerne so unermesslich groß ist.
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