Die Beschreibung des Wasserstoffatoms mit Wellenfunktionen wird durch zwei Aspekte erschwert. Zum einen ist der Potentialtrichter des Wasserstoffatoms nicht so einfach aufgebaut, wie der des linearen Potentialtopfes: Die potentielle Energie muss beim Wasserstoff stets mitberücksichtigt werden, denn sie ist ungleich Null. Zum anderen erstreckt sich der Potentialtrichter des Wasserstoffatoms über drei Dimensionen: Daher haben die Wellenfunktionen mehr Freiheitsgrade und wir benötigen weitere Quantenzahlen zu ihrer Beschreibung.
Im Wasserstoffatom steht das Elektron durch den positiv geladenen Atomkern ständig unter dem Einfluss der Coulombkraft. Abhängig von seinem Abstand r besitzt das Elektron die negative potentielle Energie:
E_{pot}=\frac {-e^2}{4\pi \varepsilon _0}\cdot \frac{1}{r}.
Im Grundzustand beträgt die Energie des Elektrons ca. ‑13,6 eV. Daneben kann es weitere diskrete aber negative Energiewerte abhängig von der Quantenzahl n annehmen. Der Nullpunkt der potentiellen Energie wird erreicht, wenn sich das Elektron aus dem Einflussbereich des Kerns entfernt, d.h. das Atom wird ionisiert. Positive Energiewerte bedeuten, dass das Elektron außerhalb des Kerns eine kinetische Energie aufgenommen hat.
Die Wellenfunktion \Psi(r) des Elektrons in Abhängigkeit von seinem Kernabstand r ergibt sich als Lösung der Schrödingergleichung mit der Randbedingung \lim_{r\rightarrow\infty}\Psi(r)=0 . Wir wollen auf die mathematische Behandlung verzichten und uns dennoch mit Hilfe der schönen Simulations-App von Thomas Kippenberg mit dem sog. Radialanteil der Wellenfunktion beschäftigen.
Aufgabe
- Beschreibe den Verlauf des Potentialtrichters des Wasserstoffatoms schriftlich im Heft und stelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum linearen Potentialtopf dar.
- Starte die App zur Schrödingergleichung. Wähle die Option Coulomb-Potential Wasserstoff und stelle drei verschiedene Energiewerte so ein, dass die Randbedingung möglichst genau erfüllt ist. Mit Zustand speichern kannst du sie fixieren. Skizziere die Graphik mit den Verläufen von \Psi(r) und |\Psi(r)|^2 im Heft.
- Begründe, warum die Randbedingung erfüllt werden muss.


Die Orbitale in der Hauptquantenzahl
Merke: Die Hauptquantenzahl n beschreibt das Haupt-Energieniveau eines Elektrons im Wasserstoffatom. Sie kann beliebige natürliche Zahlenwerten n = 1, 2, 3, … annehmen. Zu jeder Hauptquantenzahl n gehört eine Wellenfunktion \Psi_n(r), die mit ihrem Betragsquadrat die Wahrscheinlichkeitdichte für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit \rho_n(r) = |\Psi_n(r)|^2 der Elektronen definieren. Diese kugelförmigen Raumbereiche werden als Orbitale bezeichnet. Sie sind das quantenmechanische Gegenstück zu den Bahnen im Bohrschen Atommodell.
In der Chemie werden Orbitale auch als Schalen bezeichnet und der Reihe nach mit den Buchstaben K‑,L‑,M‑,N- nummeriert. Elektronen in der K‑Schale befinden sich im Mittel dichter am Atomkern als Elektronen in der L‑Schale. L‑Schalen-Elektronen wiederum sind im Mittel näher am Atomkern als M‑Schalen-Elektronen usw.
Die Wellenfunktion im Modell einer schwingenden Membran
Folgende Videos vom Molekularium zeigen den Radialteil von Wellenfunktionen auf einer schwingenden Membran zu den beiden Hauptquantenzahlen n = 1 und n = 2. Diese können als zweidimensionale Projektion der dreidimensionalen Wellenfunktion des Wasserstoffs aufgefasst werden.
Merke: Die Orbitale entziehen sich einer direkten Beobachtung, sie sind ein mathematisches Modell der Wellenfunktion. Die Nebenquantenzahl ℓ beeinflusst jedoch die Energiestruktur von Atomen mit mehr als einem Elektron, die als Feinstruktur in den Spektren beobachtbar ist. Die Formen der Orbitale bestimmen in maßgeblicher Weise die Natur der chemischen Bindung.
Die Nebenquantenzahl ℓ gilt immer 0 ≤ ℓ < n. Sie nimmt, wie auch die Hauptquantenzahl n, nur nicht-negative ganzzahlige Werte ℓ = 0, 1, 2, 3, … n – 1 an.
Die Nebenquantenzahl ℓ wird auch Drehimpulsquantenzahl oder Bahndrehimpulsquantenzahl genannt. In vielen Textbüchern wird der Wert von ℓ oft durch bestimmte, historisch festgelegte Buchstaben gekennzeichnet:
- s für ℓ = 0 (ursprünglich für ‚scharf‘, z. B. „s-Zustand“)
- p für ℓ = 1 (ursprünglich für engl. ‚principal‘, ‚Haupt‘-Zustand)
- d für ℓ = 2 (ursprünglich für ‚diffus‘)
- f für ℓ = 3 (ursprünglich für ‚fundamental‘) u.s.w.
Die Orbitale in der Nebenquantenzahl ℓ
Die Form des Orbitals in einem Atom hängt maßgebliche von der Nebenquantenzahl ℓ ab:
- ℓ = 0 Kugel-förmig
- ℓ = 1 Hantel- bzw. Torus-förmig
Beim Wasserstoffatom (und nur dort) ist die Energie des Atoms unabhängig von der Nebenquantenzahl ℓ. Man sagt, das Energieniveau zur Hauptquantenzahl n ist (2n – 1)-fach entartet. Beim Natrium-Atom wird diese Entartung aufgehoben und es zeigt sich eine Feinstruktur im Spektrum des Natriumdampfes derart, dass die Gelbe Linie tatsächlich aus zwei eng benachbarten Spektrallinien besteht.
a) Entartung der Energieniveaus bei Wasserstoff-ähnlichen Atomen.
b) Feinstruktur: Aufhebung der Entartung durch Wechselwirkung des Elektronen-Spins mit dem Bahndrehimpuls ℓ > 0.
Gelb: Übergänge zu der Natrium-Doppellinie. Bildquelle: Modifiziert nach Wikipedia.
Mathematisch beschreibt die Nebenquantenzahl den Winkel-Anteil (Azimuthal-Anteil) der Wellenfunktion \Psi_{n,l}( \varphi, \theta ) .
Vielen Dank an das Molekularium aus der Schweiz für die attraktiven Animationen.
Merke: Quantenmechanisch beschreibt die Magnetquantenzahl die Orientierung der Orbitale relativ zu einem äußeren Magnetfeld. Dabei kann die Magnetquantenzahl m wiederum nur ganzzahlige Werte annehmen, die auch negativ sein dürfen. Sie wird jedoch durch die Nebenquantenzahl ℓ beschränkt: – ℓ ≤ m ≤ ℓ.

Schon im Jahre 1896 hat Pieter Zeeman nachgewiesen, dass das Spektrum von Natriumdampf durch starke Magnetfelder beeinflusst wird. Drei Jahre später gelang Hendrik Antoon Lorentz eine Erklärung unter der Annahme, dass das von Atomen ausgesandte Licht durch bewegte Elektronen erzeugt wird. 1902 erhielten beide dafür den Nobelpreis für Physik.
Halb-klassisch stellen wir und vor, dass nur Elektronen, die einen Drehimpuls ℓ ≠ 0 haben, ein magnetisches Moment besitzen, welches sich mit einem äußeren Magnetfeld in Wechselwirkung tritt.
Die Orbitale in der Magnetquantenzahl m
Wir beobachten nur die Orbitale (m = 0), die in Richtung des Magnetfelds orientiert sind. Solche, die in einer dazu orthogonalen Ebene liegen (m = ± 1), können nicht beobachtet werden. Sie stehen in Superposition, d.h sie überlagern sich zu einem Torus, vgl. auch die Abbildung zu der Nebenquantenzahl ℓ und im Merkkasten ganz oben.
Aufgabe
- Beschreibe den Versuch im Video und deute die Beobachtung quantenmechanisch.
- Zeeman hat seine Beobachtungen mit einem Gitter-Spektroskop und einem Mikroskop durchgeführt. Skizziere einen möglichen Versuchsaufbau.
Merke: Der Spin (von engl. spin, Drehung, Drall) ist eine rein quantenmechanische Eigenschaft von Elementarteilchen. Der Spin ist jedoch verantwortlich für Phänomene, die sich auch in der makroskopischen Welt offenbaren, wie z.B. die verschiedenen Formen des Magnetismus. Der Spin wurde von Stern und Gerlach im Jahre 1922 mit neutralen Silberatomen nachgewiesen.
Der Spin kann je nach Teilchenart unterschiedliche Vielfache des sog. reduzierten Planck’schen Wirkungsquantums \hbar =\frac {h}{2\pi } (sprich „ha quer”):
- Fermionen, z.B. Elektronen, Protonen, Neutronen haben immer einen halbzahligen Spin von s = { - \frac{1}{2}; + \frac{1}{2}} \cdot \hbar . Anschaulich sagen wir auch Spin-up oder Spin-Down. Für Fermionen gilt das Pauli-Prinzip.
- Bosonen, z.B Photonen oder zusammengesetzte Quantenobjekte wie Atomkerne mit einer geraden Nukleonenzahl haben einen ganzzahligen Spin von s = {0; ±1; ±2; …} \cdot \hbar . Anschaulich sagen wir auch Spin-up oder Spin-Down. Für Bosonen gilt das Pauli-Prinzip nicht.
Obwohl die klassische Vorstellung von einem rotierenden Teilchen nach heutiger Sichtweise falsch ist, kann dieses Bild doch beim Verständnis helfen. Der Spin verhält sich physikalisch wie der Drehimpuls. Außerdem gilt der Erhaltungssatz für den Gesamtdrehimpuls nur für die Summe aus (klassischem) Bahndrehimpuls und Spin eines Systems.
Stern-Gerlach-Versuch
Aufgaben
- Besschreibe den Stern-Gerlach-Versuch im Heft.
- Erkläre, warum die Lorentzkraft bei dem Versuch keine Rolle spielt und, warum ein inhomogenes Magnetfeld eingesetzt werden muss.
Die Hauptquantenzahl im Wellenbild
Bisher haben wir nur eindimensionale Wellenfunktionen kennengelernt, die sich wie eine Gitarrensaite mit festen Rändern verhalten. Die Wellenfunktion des Wasserstoffatoms ist allerdings ein räumliches Gebilde, daher benötigen wir drei Koordinaten zu ihrer Beschreibung. Man sagt die Wellenfunktion hat drei Freiheitsgrade, die Saite nur einen Freiheitsgrad für die Schwingungen.
Mit der Zunahme der Freiheitsgrade nimmt auch die Dimension der Knoten in unseren Wellenfunktionen zu. Zur Erinnerung: Die Knoten sind die Raumbereiche einer stehenden Welle, die sich nicht bewegen
- Bei einem Freiheitsgrad gibt es Knotenpunkte, z.B. bei der schwingenden Saite.
- Bei zwei Freiheitsgraden gibt es Knotenlinien, z.B. bei der schwingenden Glasplatte oder Membran.
- Bei drei Freiheitsgraden gibt es Knotenflächen, z.B. bei schwingenden Seifenblasen.
Merke: Bei Systemen mit offenen Rändern ist die Hauptquantenzahl n gleich der Anzahl der Knoten einer stehenden Welle.
Hinweis: Bei festen Rändern, z.B. bei der schwingenden Saite oder beim Potentialtopf ist die Hauptquantenzahl um eins geringer als die Zahl der Knoten. Das Wasserstoffatom ist jedoch ein System mit offenen Rändern mit der Randbedingung \lim_{r\rightarrow\infty}\Psi(r)=0 . Dort ist die Hauptquantenzahl gleich der Knotenzahl.
Chladnische Klangfiguren
Schwingende Platten und Membranen sind ein anschauliches zweidimensionales Modell für radiale und azimutale Wellenformen.
Hinweis: Fachsprachlich werden die unterschiedlichen Schwingungsformen im Video als Moden bezeichnet.
Exkurs: Kugelkoordinaten
Wir beschreiben den Ort \vec r mit den Kugelkoordinaten1) r, \varphi, \theta , denn diese berücksichtigen die Symmetrie des Wasserstoffatoms. r bezeichnet den Abstand vom Ursprung und \varphi, \theta sind Winkel zwischen der x- und der z‑Achse.
Der Potentialtrichter des Wasserstoffatoms hängt nur von dem Abstand r , aber nicht von den Winkeln ab, genau wie die Wellenfunktion \Psi(r) . Diese Funktion nennt man daher Radialteil der Wellenfunktion.
Leider ist die Wellenfunktion damit noch nicht vollständig beschrieben. Es gibt auch Anteile, die von dem Winkel \theta abhängen. Diese werden auch als azimutaler Teil der Wellenfunktion bezeichnet. Aus Symmetriegründen gibt es jedoch keine Abhängigkeit vom Winkel \varphi .
1) Hinweis: Die Längen- und Breitengrade auf dem Globus sind nichts anderes als die Kugelkoordinaten \varphi, \theta .
7 Kommentare
Kommentieren →Hier ist auch meine Lösung zu den geringstmöglichen Besetzungszuständen der Atome.
Hallo Herr Fuchs,
Auch hier meine Lösung.
Viele Grüße,
Liv
Hallo Herr Fuchs,
Im Anhang befindet sich meine Bearbeitung der Aufgabe.
Viel Grüße Vivien
16.01.2022 Physik
Aufgabe 6 und 7 zum Stern-Gerlach-Versuch.
Stern Gerlach Experiment
Aufgabe 4 und 5 zum Zeeman Effekt.
Zeeman Effekt
Hallo Herr Fuchs,
anbei meine Bearbeitungen zum Potentialtrichter und zur Hauptquantenzahl n.
Viele Grüße
Pascal
Hallo Herr Fuchs,
hier ist meine Beschreibung zu den Elektron im Potentialtrichter, aber ich bin mir nicht sicher, ob alles richtig ist.
Physik 3